Was ist eigentlich Strategie in Anwaltskanzleien?

Da gibt es viel Unsicherheit. Anbei stelle ich ein paar Hypothesen zur Verfügung, aus 25 Jahren Arbeit mit dieser Zielgruppe, da ich diese gerade eh für zwei Projekte, eines in Zürich, eines in Wien, zusammenstelle:

1. Ziel von Anwaltskanzleien ist es, einen angemessenen Rechtsrat für ihre Mandanten zu erbringen, der es den Partnern erlaubt, solche Honorare zu stellen, dass sie wirtschaftlich angemessen entlohnt werden und die Kanzlei Wachstum finanzieren kann. Diesen Zielen muss jede Strategie in Anwaltskanzleien dienen.

2. Die Beschäftigung mit unternehmerischen Strategien ist eine wichtige Nebenpflicht des Anwaltes, die sich aus der Kardinalpflicht, dem Erhalt der Unabhängigkeit ergibt, die sich nicht nur aus Abhängigkeit von staatlicher, sondern auch von wirtschaftlichen Zwängen ergeben kann.

3. Ethische Rahmenbedingungen sind in Anwaltskanzleien ein notwendiger Bezugspunkt und Rahmen in Strategieprozessen, um hochwertige Dienstleistungen zu erbringen. Da wertorientierte Unternehmensführung auch ökonomisch erfolgreicher ist, ist es auch lohnenswert.

4. Strategien in Anwaltskanzleien, die nur die ökonomische Bilanz im Auge haben, sind nicht fähig, die komplexen Herausforderungen von Dienstleistungsunternehmen zu adressieren, bei denen Motivation der Beteiligten einen sehr hohen Stellenwert hat.

5. Aber: Jede Strategie in Anwaltskanzleien muss fähig sein, Wachstum zu generieren, da Kosten immer steigen, und nur dann ausreichende Attraktivität für Nachwuchs gegeben ist.

6. Bei klassischer Strategiearbeit in Anwaltskanzleien geht es genauso wie in anderen Industrie-Zweigen auch um Wettbewerbsfähigkeit der Kanzlei im Hinblick auf fachliches und personelles Angebot, Organisations- und Servicequalität, und Differenzierungskraft des Marketings.

7. Strategien in Anwaltskanzleien ist ein Prozess der Konsensfindung, weniger einer der sachlogischen Entscheidung Top Down, da Teilhabe der Partner wichtiger ist als „richtige“ Entscheidungen.

8. Dieser Prozess wird in der Regel implizit durchgeführt und ist an der Mandatsannahmepolitik ablesbar; weniger ein expertenorientierter Prozess.

8. Strategie in Kanzleien ist daher auch ein Lernprozess, der täglich in 1000 Schritten abläuft und inkrementelle Fortschritte organisiert. Er kann durch Reflexion verbessert werden, da sich damit die sog. realisierte Strategie zeigt.

9. Dieser Konsensfindungsprozess wird durch Gruppendynamik gesteuert, also durch das Verhandeln von Interessen und der Wahrnehmung der Positionen und Personen.

10. Strategieprozesse in Anwaltskanzleien sind also auch umso erfolgreicher, je fähiger die Gruppe der Partner ist, mit unterschiedlichen Meinungen umzugehen (Konfliktfähigkeit). Diese weiter zu entwickeln, ist ein wichtiges Nebenprodukt guter Strategiearbeit.

11. Erfolgreiche Kanzleien haben vor einiger Zeit eine richtige Strategie gewählt, die sich jetzt auszahlt. Strategiearbeit in Kanzleien ist daher vor allem ein Reflexionsprozess, der auf Evolution bestehender Strategien unter Einbezug aller Partner setzt, und kein radikaler Neuanfang, wie ihn die Strategielehre definiert.

12. Der wichtigste Differenzierungsfaktor unter ähnlich positionierten Kanzleien ist Kultur, also die Art und Weise, wie in der Kanzlei kooperiert und gemeinsam Erfolg hergestellt wird. Kulturarbeit ist daher ein wichtiger Teil von Strategieprozessen.

13. Strategie in Full-Service Kanzleien ist schwierig; de facto geht es (wie bei Mischkonzernen) eher um angemessene Teilstrategien der Geschäftsfelder (Praxisgruppen). Strategie für die Gesamtkanzlei ist daher oft reduziert auf die Frage der Identität, Ethos, Struktur und Überlebensfähigkeit des Gesamtsystems.

14. Strategiediskussionen in Anwaltskanzleien sind oftmals ein Platzhalter für andere Themen, vor allem Identitätskrisen, wirtschaftliche Krisen, oder sonstige Uneinigkeit in Kanzleien. Man kann ihr nur begegnen, in dem man den eigentlichen Grund bearbeitet, und nicht die Sachlogik der Strategie.

15. Strategie ohne Kontextwissen kann in Kanzleien mehr Schaden anrichten; insbesondere die Vielzahl nicht funktionierender Merger sind ein Zeichen dafür, dass kulturelle Themen zu gering bewertet werden.

Wenn Sie wissen wollen, wie sich Ihre Kanzlei erfolgreich für die Zukunft aufstellen kann, freue ich mich über einen Anruf!



Weiterlesen-Empfehlung