Das Dilemma der Business Service Mitarbeiter in Kanzleien

Bild: Umsatz pro Berufsträger in den strategischen Gruppen de 100 größten Kanzleien in den Jahren 2004/2008/2013/2019

Kanzleien haben in den letzten 15 Jahren Business Services aufgebaut mit Mitarbeitern im Bereich Finanzen, Marketing, legal Operations, IT und HR. Diese Mitarbeiter der Business Services kamen meistens aus anderen Industrien und haben gelernt, wie diese Prozesse routinemäßig auf hohem Niveau ablaufen können oder müssen, um zum einen einen hohen Standard abzusichern und als attraktiver Arbeitgeber zu gelten, zum anderen auch um wirtschaftlich effizientes Arbeiten zu ermöglichen.

Die Erfahrung, die sie dann in denBusiness Services  Einheiten großer deutscher Anwaltskanzleien machen, ist meist recht überraschend: wirtschaftliche Effizienz scheint überhaupt kein Kriterium zu sein, nach denen Kanzleien arbeiten. Die Potenziale die verschenkt werden, sind einfach unglaublich. Versuche, sich mit ihrer Fachkompetenz einzubringen, scheitern meistens daran, dass die Rechtsanwälte Prozesse nicht verstehen oder glauben, es müsste anders sein. Insbesondere haben sie sehr individuelle Wünsche an Abläufe, so dass Standards, die für Effizienz sorgen, nicht eingehalten werden können. Das fängt mit banalen Fragen wie und wann die Zeitmitschrift erledigt wird, geht über stabile Abrechnungs- und Buchhaltungsprozesse bis hin zu der Umsetzung von einfachsten Marketing-Maßnahmen.

Meistens verstehen sich die Anwälte nicht als Teil von Prozessen, in denen sie zuliefern müssen, um eine hohe Qualität zu bekommen, zum Beispiel die Daten für Marketing-Aktionen zu liefern, oder zeitig Rechnung zu stellen oder diese erinnern. Anwälte meinen oftmals, dass sie die Prozesse es noch einmal durchdenken und hinterfragen müssen, gegebenenfalls ändern müssen, als seien es juristische Fachfragen. Denn in Partnerschaften haben die meisten Partner eine Vorstellung davon, wie es für Sie persönlich optimal ist oder wie sie ist es anderen Kanzleien oder Organisation erfahren haben. Organisatorische Effizienz ist für sie gar nicht relevant, wichtiger ist ihre persönliche Gewohnheit. Das bedeutet einen hohen Aufwand, diese jeweils dazu zu bewegen, sich in Prozessen korrekt zu verhalten.

Für die fachlich versierten Mitarbeiter der Business Services bedeutet es mehr Arbeit, oder sie werden demotiviert. Ihre Arbeitszeiten ähneln dann oftmals denen der Anwälte, nämlich weit oberhalb der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Das ist alles nicht notwendig. Es ist kein Wunder, dass viele Mitarbeiter häufig den Arbeitgeber Kanzlei wechseln, verbunden mit dem Verlust an Wissen um implizite Prozesse und kanzleieigene Bedarfe und Angewohnheiten. So ärgern die Anwälte dann darüber, dass die neuen Mitarbeiter der Business Services „wieder“ nicht verstanden haben, wie sie es persönlich für richtig halten, einen bestimmten Prozess zu gestalten.

Nun ist es bei Wissensarbeitern und Experten nicht ungewöhnlich, dass sie ihre Fähigkeit, Dinge zu durchdenken, auf jede Frage anwenden, auch wenn es Wirtschaftlich keinen Sinn macht. Führung, um dafür zu sorgen, dass eine Mindesteffizienz möglich ist, ist nicht der Fokus der Managing Partner. Business Services  der englischen und amerikanischen Kanzleien sind hier oftmals besser aufgestellt, auch wenn die in Amerika üblichen Prozesse nicht ohne weiteres auf den kontinentaleuropäischen, insbesondere den deutschen Markt anzuwenden sind. Dies ist bei rechtlich vorgegebenen Prozessen, wie etwa den Geldwäsche-Prozess offensichtlich, bei  Standards der Marktbearbeitung im Bereich Business Development nicht so offensichtlich, kann aber kulturell gegeben sein.

Auch für die Mitarbeiter Business Services ist es nicht einfach, da sie bisher gewohnt waren, auf einer kleinen Stellenbeschreibung ihre Dienstleistung zu erbringen. Die Schnittstellen waren definiert, ebenso die Machtstrukturen. Sie können sie im Kontext der Anwaltskanzlei nur erbringen, wenn sie in einen Coaching-Modus gehen, also prozessual vorgehen und mit Hilfe von Fragen Verständnis für die Anforderungen erarbeiten, die aus ihrer Sicht notwendig sind, um effiziente Prozesse zu haben.

Die Business Services einer Kanzlei zunehmend von Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg einer Anwaltskanzlei: Dies bildet sich heutzutage ganz klar in den sehr unterschiedlichen Umsätzen pro Berufsträger ab, die zeigen, welche Produktivitätsunterschiede den Kanzleien bestehen (siehe Bild). Zugleich zeigt es, dass in vielen Kanzleien die Notwendigkeit besteht, die Managementfunktion zu überdenken und dafür zu sorgen, dass die Business Services ihre Aufgaben effizienter erledigen können. Denn die Anwälte werden zunehmend in dem neuen Paradigma darauf angewiesen sein, ihre Dienstleistung nicht nur in einem Team, sondern insbesondere auch effizient gemanagt und mit berechenbaren Prozessen zu erbringen. Dies betrifft so banale Dinge wie das Legal Projektmanagement, welches von Mandanten erwartet hin, geht über Budgetorientierung, angemessenes staffing bis hin zu Reviewprozessen und Prozessoptimierung, die mit den Mandanten abgesprochen werden müssen.

Das Dilemma der Business Services in Anwaltskanzleien ist daher in Wirklichkeit ein Dilemma des Partnerschaftsmodells, sich mit angemessenen Managementprozessen auszustatten, um wettbewerbsfähig zu sein. Dies ist der Grund für Veränderung, der vielen Kanzleien bevor steht. Die besseren werden ihn angehen.



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