Welchen Beitrag leisten eigentlich Nicht-Berufsträger zum Erfolg einer Kanzlei?

Mitarbeiter, wie Sekretärinnen, Business Service Mitarbeiter oder sonstige Mitarbeitende in Kanzleien haben häufig den Eindruck, dass ihre Leistung nicht zählt. Sondern nur die der Anwälte, vor allem der Partner. Auch umgekehrt meinen Anwälte, dass Mitarbeiter manchmal zu wenig beitragen. Aber wie verhält es sich eigentlich mit den Wertbeiträgen der „anderen“ Mitarbeitenden?

Eines der besten Erklärungen hält das Model der EFQM* bereit (siehe Diagramm). Wann immer wir in Kanzleien Untersuchungen über die Wertschöpfungsprozesse machen, finden wir sie bestätigt. Sie unterscheidet in zwei Bereiche: Ermöglichende Faktoren und Ergebnisse.

1.        Ermöglichende Faktoren: diese machen 50 %  (sic!) der Kanzleileistung aus:

a.       10 % durch Führung: Hierzu gehört die Governance der Kanzlei und die Entscheidungsprozesse durch die Partner resp. deren Organe

b.       10 % solcher Mitarbeiter, die die Kanzlei organisieren oder anderweitig die Dienstleistung ermöglichen (Bürovorsteher, COO, Marketingfachleute, Buchhaltung,  etc., resp. die Anteile der Tätigkeiten von Mitarbeitern in diesem Bereich, wie von ReFas, die auch Rechnungen stellen und verbuchen; hierzu gehören auch Managing Partner etc., soweit sie Zeit und Entscheidungskompetenz bereitzustellen bereit und/oder in der Lage sind)

c.       10 % durch eine Kanzlei-Strategie und deren Umsetzung: dieses betrifft vor allem die Frage der Mandatsannahme und der Marktbearbeitung; ist diese nicht vorhanden, ist die Kanzleileistung in der Regel unterdurchschnittlich

d.       10 % durch Partnerschaften und Ressourcen: hierzu gehören etwa Kooperationen mit Steuerberatern, IT-Firmen, Veranstaltern, Journalisten, Beratern etc.

e.       10 % aufgrund standardisierter Abläufe (inkl. Produkte und Dienstleistungen): dazu gehören neben den Wertschöpfungsprozessen auch die Standardisierung der Abläufe der Führung (Personalführung, Marketing, etc.) und der unterstützenden Bereiche (Fristen, Archiv, Buchhaltung EDV etc.), da sie für Effizienz sorgen können (aber nur, soweit sich auch die Anwälte an diese halten), aber auch sekundäre Dienstleistungsqualitäten wir Schnelligkeit, korrekte Rechnungsstellung etc.

2.       Ergebnisse: diese machen weitere 50 % der Unternehmensleistung aus

a.       10 % Mitarbeiterbezogene Ergebnisse: Dieses meint die Tätigkeiten in Kanzleien, die die abrechenbare Arbeit erbringen oder direkt unterstützen (Anwälte und Sekretärinnen, etwa bei der Schriftststückausfertigung)

b.       10 % Kundenbezogene Ergebnisse: dieses sind die aus Kundensicht relevanten Ergebnisse, also Verbesserungen aus deren Sicht

c.       10 % Gesellschaftsbezogene Ergebnisse (bei Anwälten ist dies insbesondere der  geförderte Rechtsfrieden zwischen Parteien und die Inanspruchnahme von Systemen der zivilen Konfliktlösung)

d.       15 % Schlüsselergebnisse (dies meint die juristische Sachbearbeitung im engeren Sinne).

Anwälte tendieren aus ihrer Sicht dazu, dass nur ihr Beitrag relevant ist. Dabei trägt die juristische  Sachbearbeitung direkt nur mindestens 15 % und selten mehr als 50 % bei, aber nie 100 %. Je größer die Kanzlei, umso offensichtlicher ist das. Ihr Beitrag ist nicht möglich, ohne dass es qualifizierte Mitarbeiter und ein entsprechendes Umfeld gibt, also das, was man eine „Organisation“ nennt. Diese wird oftmals sträflich vernachlässigt: die Aufgaben werden an nicht dafür ausgebildete Mitarbeiter übertragen, und oftmals nur als „Projekte“ betrachtet, anstelle die Routineaufgabe des „Managements“ ernst zu nehmen und entsprechend der Kanzleigröße auch auf angemessene Austattung zu achten. Der Beitrag, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, den die Kanzlei verwaltenden Mitarbeiter erbringen, ist manchmal höher als der einzelner Berufsträger (durch die Vereinfachung, Einkauf, Zeitverkürzung, oder einfach nur Entlastung von Berufsträgern von ihnen fremden Aufgaben).

Der Wertbeitrag der Organisation ist umso höher, je besser die Kanzlei auch von ihren Ergebnissen her lernt, die Prozesse zu verbessern, die Mitarbeiter besser zu befähigen, die Standards zu optimieren. Die Sicht des Anwalts auf die Fälle als „Einzelfall“ ist dabei nicht hilfreich, denn über 95 % aller Sachbearbeitungen sind Wiederholungen. Gut organisierte Kanzleien zeigen, wie es gehen kann: standardisierte Prozesse, qualifizierte Mitarbeiter, gute Kommunikation und hohe Nutzungstiefe der Software  sind wichtige Beiträge zur erhöhten Leistung der Kanzlei, ohne dass mehr an Arbeitsstunden anfallen.

Und: Kanzleien in Schwierigkeiten haben typischerweise Mängel in allen anderen Bereichen außer in der juristischen Qualität.

PS: Auch wenn das EFQM Modell inzwischen weiterentwickelt wurde, finden wir es immer noch aussagekräftig, da die Beiträge andere Bereiche als der reinen Sachbearbeitung durch die Juristen dadurch deutlich wird.

* EFQM European Foundation of Quality Management, eine Initiative der EU zur Exzellenz; hier das Modell von 2010



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