Rechts- und Complianceorganisation – ein zu großer Spagat?

von Dr. Wolf Peter Groß

Der BGH hat in seinem Urteil vom 17.07.2009 den Leiter einer Rechtsabteilung und Innenrevision einer Anstalt des öffentlichen Recht wegen Beihilfe zum Betrug durch Unterlassen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt.

Der BGH sah bei dem Angeklagten eine Garantenstellung aus der heraus ihm Obhutspflichten für eine bestimmte Gefahrenquelle erwachsen. Näheres kann nahgelesen werden (Az 5 StR 394/08).

Nur ein Warnschuss? Den Ausweg aus dem Dilemma zeigt der BGH selbst auf: Maßgeblich sei die Bestimmung des Verantwortungsbereichs, den der Verpflichtete übernommen habe. Haftungstechnisch lässt sich das Thema also durch eine klare Abgrenzung des Funktionsbereichs in der Stellenbeschreibung lösen.

Weitreichendere Folgen ergeben sich für die Positionierung der Rechtsabteilung, die zugleich die Verantwortung für Compliance hat, Das sehr weite Verständnis des BGH von dem Aufgabengebiet eines Compliance Officers trägt dazu bei, das Spannungsfeld zwischen der Rechtsabteilung mit ihrer Beratungs- und Steuerungsfunktion einerseits und der kontrollierenden, ordnungshütenden Compliance-Funktion zu verstärken.

Selbst wenn die Bereiche Recht und Compliance innerhalb des Rechtsbereichs strukturell getrennt werden, erschwert die Doppelzuständigkeit  die tägliche Arbeit der Rechtsabteilung. Sie hat ohnehin schon die Grundparadoxie zwischen dem klassischen Justitiariat mit seinen Steuerungs- und Aufräumaufgaben für das gesamte Unternehmen einerseits und der dienstleistenden Beraterrolle andererseits zu meistern. Nach wie vor zeigt der Alltag, wie schwer es für die Rechtsabteilung – von der Zuschreibung der von der Obrigkeit autorisierten Stabsabteilung kommend – ist, sich in die operativen Prozesse einzubringen, ihren Wertschöpfungsbeitrag zu verdeutlichen und ein attraktiver Partner für ihre internen Kunden zu sein. Wenn ihr dann noch der Nimbus der Unternehmenspolizei anhaftet, die, so der BGH, dafür einzustehen hat, dass Straftaten im Unternehmen nicht vorkommen, ist zu erwarten, das sich die Symptome, die die Fieberkurve in den Rechtsabteilungen regelmäßig nach oben treiben, wie späte Einbindung, bruchstückhafte Informationen pp noch verstärken.

Nicht alles, was Unternehmensjuristen aufgrund ihrer soliden Ausbildung und Arbeitsweise an Funktionen und Aufgaben im Unterneehmen übernehmen können,  ist bei ihnen sinnvoll aufgehoben.



Weiterlesen-Empfehlung