Die neuen Kennzahlen der Kanzleien von Juve kommen!

Aber was sagen die eigentlich aus?

Früher gab es nur das Ranking nach Umsatz und Anzahl Berufsträger und Partner von Wirtschaftskanzleien. Dann kamen (ab 2016) umfangreichere Analysen, nachdem wir schon 2011 darauf hingewiesen hatten, dass die Kennzahl Umsatz unrelevant ist, sagt sich doch lediglich aus, welche Kanzlei groß ist.

Nun gibt es 5 Jahre-Langzeitanalysen, Abbildung von UBT und Anzahl Anwälte auf X und Y-Achsen, so dass ein bisschen klarer wird, welche Kanzlei welche Art von Geschäftsmodell hat.

Was immer fehlt, ist der Gewinn der Kanzleien, obwohl dieser aufgrund der statistischen Informationen, der Relation aus Partnern und Nicht-Partnern relativ einfach bestimmbar ist. Diese Informationen halten wir seit 2011 in unserem Benchmarking vor, bei Juve fehlen sie. Einige Wirtschafts-Kanzleien veröffentlichen nun nicht mehr die Anzahl Nur-Equity Partner, was verständlich ist, geht diese Zahl doch bei einigen Top-Kanzleien zurück, um dem Wettbewerbsdruck standhalten zu können (der Gewinn pro Partner wird hier oft nur noch durch De-Equisation einiger Partner erhöht).

Aber auch heute muss man sich die Infos zusammensuchen.  Denn für wen sind diese Infos eigentlich interessant?

  1. Für den einzelnen Partner: der staunt manchmal nicht schlecht über die angeblich so guten Zahlen seiner Kanzlei und freut sich über das Marketing, das es geschafft hat, die eigene Kanzlei gut aussehen zu lassen. Aber was soll er mit den Infos anfangen? Der Einzelne kann sich ein Bild über den direkten Wettbewerb nur machen, wenn es ihn denn kennt. Denn das ist eines der schwierigsten Themen, da die einzelnen Berufsträger nur aus der Brille ihres Geschäftsfeldes eine Marktbeobachtung machen können, und die fällt natürlich zwischen Corporate und Arbeitsrecht oft unterschiedlich aus.
  2. Die potenziellen Berufsanfänger: die wichtigsten Daten finden sie in azur-online.de, vor allem das Anfangsgehalt, Bewertung durch Associates etc.
  3. Für den potenziellen Quereinsteiger: sei es Senior Associate, sei es Partner: immer ist das Gehalt oder der Gewinnanteil am Ende ausschlaggebend. Sich zu verschlechtern bereit sind sie nur, wenn die Arbeitsbedingungen ihrer derzeitigen Kanzlei unerträglich geworden sind, aber auch das nur in Massen, weil sie so oft in dem goldenen Käfig hoher Ansprüche gefangen sind. Diese Zahlen sind nur via azur-online (Gehälter) und durch Nachfragen bei den Kanzleien erhältlich.
  4. Journalisten anderer Medien: diese berichten meist nur über die 5-10 größten Kanzleien des Umsatzes nach. Das ist nur von begrenztem Wert für die interessierte Öffentlichkeit, es sei denn, eine dieser Kanzleien gerät auch aus anderem Grund in die Medien, wie Freshfields mit Cum-Ex, für das 50 Mio € gezahlt wurden, damit weitere staatsanwaltliche Nachforschungen und entsprechend negative Berichterstattung ausbleiben.
  5. Das Kanzleimanagement: Wenn dieses sich nach Kennzahlen richten würde, wäre es evtl. interessant. Dies tun angelsächsische Kanzleien sehr intensiv, weil der Gewinn eines Partners eine sehr erfolgskritische Kennzahl in ihren Heimatmärkten ist. Eine deutsche Kanzlei im Wirtschaftsrecht im gleichen Marktsegment, die 270.000 EURO weniger Umsatz pro Berufsträger macht als Wettbewerber, müssten sich in der Tat Gedanken machen. Aber welche deutsche Kanzlei wird schon nach Kennzahlen gesteuert? Und wenn, wie verändert man sie?

Was ist denn nun die relevanteste Kennzahl von Wirtschaftskanzleien? Aus unserer Sicht gibt es eine klare Nummer 1: Der Umsatz pro Berufsträger (UBT), allerdings zusammen mit weiteren Kriterien, die sie einer strategischen Gruppe zugehörig machen (s.u.)

  1. Umsatz pro Berufsträger:  Diese Kennzahl bildet sich aus Auslastung (in Stunden) x realisiertem Stundensatz. Sie schwankt zwischen 280.000 € und 1.4 Mio € pro Jahr. Das ist recht erheblich.
    1. Die Auslastung wird je nach Kanzlei unterschiedlich organisiert: Während es in US-Kanzleien strikte Vorgaben gibt (1800 bis 2400 billables/Jahr für Vollzeitanwälte), wird dies in den meisten deutschen Kanzleien weniger eindeutig behandelt (keine, unverbindliche, oder niedrige, von 1000 bis 1700 h) . Zwar gibt es inzwischen in einigen Kanzleien Vorgaben, aber schon die Einweisung in die Systeme und eine Aufklärung darüber, wie man welche Zeit erfasst, bewertet und einträgt fehlt oder wird sehr unterschiedlich innerhalb einer Kanzlei gehandhabt. Beispiel aus einer Beratung einer Top-Litigation-Kanzlei: So antwortet die neue Associate ihrem Partner, der sie bat, die Zeiten für ein Projekt zu erfassen mit: „Wieso? Und wie macht man das überhaupt?“.Die Stunden-Vorgaben, soweit vorhanden, je nach Kanzlei sind bei Azur-online einsehbar, und entsprechen bis auf Ausnahmen auch den Annahmen, die diese Kanzleien in ihrer strategischen Gruppe haben.
      1. Realisierter Stundensatz: dieser ist zu unterscheiden vom
      2. Standard-Stundensatz, wie er manchmal in den EDV-Systemen hinterlegt ist, aber der bei jeder Mandatierung geändert wird. Die Abweichung wird in vielen US und UK-Kanzleien nicht toleriert oder braucht die Freigabe vom Management; in Deutschland dürfen viele Partner selbst entscheiden, und richten sich dann eher nach dem, was die Mandanten so zu akzeptieren bereit sind, anstelle den wirtschaftlichen Bedarfen der Kanzlei als Ganzes. Dass das Pricing neben einem Hygieneaspekt auch ein Marketinginstrument ist, wird oft übersehen.
      3. Vereinbarter Stundensatz: dies ist der individuell mit einem Mandanten vereinbarte Stundensatz. Da dieser vom Standardstundensatz abweicht (meist eher niedriger), wird er meist auch nicht jedes Jahr neu verhandelt, sondern gilt auf „bis auf weiteres“. So finden sich dann Stundensätze von 250 EURO für Altmandanten, obwohl der Kostensatz eines Partners schon bei 280 EURO liegt, die Kanzlei also 30 € Verlust macht pro Stunde.
      4. Abgerechneter Stundensatz: die Partner reduzieren eigene wie auch fremde Stunden (letztere lieber), wenn ihnen der Aufwand „zu hoch“ erschein. Dafür gibt es nur selten objektive Kriterien. Während es bei Berufsanfängern manchmal angesagt sein kann, haben wir es auch bei Partnern gefunden, die für andere gearbeitet haben; so hat sich dann ein Partner zulasten eines anderen „bereichert“, also zumindest umsatztechnisch besser dargestellt. So reduziert sich der abgerechnete Stunden Satz gegenüber dem vereinbarten, weil eine bestimmte Anzahl Stunden nicht abgerechnet wird, aber gearbeitet wurde.
      5. gezahlter Stundensatz: nun ist die Frage, ob und ggfls. wann der Mandant die Rechnung ganz oder in Teilen zahlt. Zahlt er zügig, gibt es keine weiteren Abzüge. Zahlt er mit zeitlichem Abstand, so gibt es zumindest einen hypothetischen oder realen Zinsverlust, etwa für Überzugzinsen. Zahlt er nur in Teilen, reduziert sich der Stundensatz wiederum um den nicht gezahlten Teil. Zahlt er nicht, oder vergisst er es, und der Partner fasst nicht nach, dann reduziert sich dieser Stundensatz auf null in diesem Mandat, mit Einfluss auf den realisierten Stundensatz der Gesamtkanzlei nach einem Jahr. Interessanterweise mahnen viele Kanzleien ihre Mandanten nicht (aus Scham, oder Nachlässigkeit?), so dass sich einige Mandanten anfangen, daran zu gewöhnen, hin und wieder mal eine Rechnung nicht zu zahlen.

So gibt also der „realisierte Stundensatz“ einen guten Hinweis auf die Professionalität der Kanzleiorganisation, bei dem das Verhalten des einzelnen Partners relevant ist. Nun wird die Anzahl der Stunden allerdings nicht in die Reports von Juve aufgenommen. Diese lassen sich jedoch aus anderen Quellen erschließen, und die Vorgaben pro Kanzlei sind inzwischen oftmals veröffentlicht (an anderer Stelle bei Juve). So lassen sich diese errechnen, wissend, dass in der Regel nur 70 % der Vorgabe realisiert werden, egal wie hoch sie sind.

Aber wann ist ein UBT gut, oder zu niedrig?

Das erkennt man nur, wenn der Wettbewerb richtig bestimmt ist. Dazu muss man den Markt genau kennen. Juve hat verschiedene Klassifizierungen versucht, derzeit unterscheidet sie nach Konzernkanzleien und Mittelstand. Denn die Kanzleien kämpfen nur in Ausnahmefällen mit dem Gesamtmarkt, oder Kanzleien mit ganz anderen fachlichen Kompetenzen, Geschäftsmodellen, Pricing und Ansprüchen an Qualität und Service; die Mandanten durchschauen den Markt recht genau und wissen oftmals zu wählen. Sie entscheiden sich für Kanzleien mit bestimmten Merkmalen, die eine strategische Gruppe auszeichnet. Diese wird bestimmt durch Kultur des Heimatmarktes, Management, Fokus, Hauptstandort, Reputation, Anzahl Büros weltweit, Einbindung in Netzwerke, Anzahl und Größe der betreuten Transaktionen etc. (siehe unsere Benchmarkstudie, die wir seit 2011 jährlich fortschreiben, für Details).

Wir meinen, dass das Top Segment allein in 9 strategische Gruppen aufzuteilen ist:

  1. Global Player/Global Elite
  2. Internationalisierer (International Commercial Firms)
  3. Nationalen Marktführer
  4. Fokussierte Kanzleien
  5. Generalisten
  6. Integrierte Kanzleien (Wirtschaftsprüfer)
  7. Regionalisten
  8. MDP (Multidisziplinare Praxen)
  9. Insolvenzkanzleien

Wenn Sie wissen wollen, in welcher Gruppe sich Ihre Kanzlei befindet, und was sie tun könnte, um wettbewerbsfähig zu bleiben, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme.



Weiterlesen-Empfehlung