- 6. Februar 2025
- Veröffentlicht durch: Christoph H. Vaagt
- Kategorien: Großkanzleien, Klartext, Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfer

Der Umsatz pro Berufsträger ist die wichtigste Kennzahl für Anwaltskanzleien, zeigt sie doch, wie gut es eine Kanzlei schafft, aus den Produktivkräften der Kanzlei Umsatz zu generieren. Dabei sind Auslastung x Stundensatz wiederum die wichtigsten Zutaten, auch in der Welt, in der Legal Tech und KI zunehmend von Relevanz sind; denn am Ende ist die Leistung der Kanzleien ja auf die sachbearbeitende und beaufsichtigende Tätigkeit der Berufsträger zurückzuführen.
Die Langfristbetrachtung ist insofern interessant, da sie zeigt, wie sich nach der Übernahme eines Großteils der Wirtschaftsanwälte durch angelsächsische Kanzleien die verbleibenden Kanzleien nach 2005 positioniert haben. Schließlich sind von den 238 vor der Übernahmewelle im Jahr 1996 vorhandenen größeren Wirtschaftskanzleien in Deutschland im Jahre 2005 nur 32, also ca. 10 % übriggeblieben (1).
An der Marktspitze stand im Jahr 2005 Hengeler Müller (blaue Linie), auch damals weit oberhalb der führenden UK und US-Wettbewerber, die deutsche Anwälte oder ganze Kanzleien übernommen hatten, und nun erst einmal mühsam die Integration hinbekommen mussten. Die Produktivität von Hengeler ist allerdings nur sehr langsam gestiegen (1,1 % p.a.), was sie wohl zur notwendigen Einführung von neuen Karriereschritten vor der Partnerschaft zwang; das Ergebnis von Prokrastination, die größte Gefahr für Marktführer.
Die wichtigsten UK und US-Praxen, die als Global Elite bezeichnet wird (rote Linie), holen allerdings beständig auf, trotz des sichtbaren und immerhin bis 2014 andauernden Schocks aufgrund der Finanzkrise von 2008. Dagegen sind jene UK und US-Kanzleien wesentlich schwächer unterwegs, die wir als „Internationalisierer“ zusammenfassen, also Kanzleien, die wie die Global Elite versuchen, eine weltweite Präsenz zu haben, allerdings aufgrund fehlender Reputation und Stärke im Heimatmarkt mit weniger Erfolg. Sie haben es immerhin geschafft, ihre Produktivität oberhalb des Großteils der deutschen Kanzleien zu halten, aufgrund des strafferen Managements mit höheren Gewinnen pro Partner, aber auch höheren Kosten.
Allerdings wird auch hier deutlich, dass die Gewinnerhöhung nur noch schwer gelingt, und es daher nur selten zu Neuaufnahmen von Equity Partnern kommt; daher werden bei einer Reihe von Kanzleien bei Juve nunmehr keine Partnerzahlen mehr genannt. Umsichtige Beobachter gehen daher davon aus, dass idR. die zuletzt genannten immer noch gelten.
Unter den deutschen Kanzleien fallen folgende auf:
1. Gleiss Lutz, SZA, Noerr, CMS und Pöllath & Partner haben sich weitgehend abgesetzt vom Rest der deutschen Kanzleien, mit UBTs um und oberhalb von 700.000 €. Sie zeigen sowohl, dass sie an ihrer Optimierung nachhaltig arbeiten als auch Strukturen und Prozesse haben, die das bewerkstelligen. Sie sind zwar weit weniger Managementaffin als angelsächsische Kanzleien, aber auch nicht so opportunistisch wie der Rest.
2. Die Kanzleien mit dem nachhaltigsten Umsatzwachstum sind Noerr (4,0 %), Graf von Westphalen (3,7 %) und Luther (3,4 %), sowie die Big 4 mit 5,4 % (PWC), 4,4 % E&Y, KPMG (2,5 %) und Deloitte (2,4 %), allerdings immer von einer sehr niedrigen Basis aus.
3. Die Big 4 schaffen es nachhaltig, sich am unteren Ende der Produktivität von großen Wirtschaftskanzleien zu bewegen. Das hat etwas mir ihrem Geschäftsmodell und der Kultur zu tun, die dort herrschen (ähnlich in anderen WP Gesellschaften, aber anders in MDP-Kanzleien, in denen Berater dominieren, wie etwa Flick Gocke oder Rödl).
4. Den Rest der deutschen Kanzleien liegt mal über, mal unter oder bei 2,0 %, der durchschnittlichen Inflationsrate 2004-2024. Diese haben sich gegenüber den angelsächsischen Kanzleien weniger dynamisch entwickelt: durch die manchmal grundsätzliche Ablehnung der Partner gegenüber einem sinnvollen Management gelingt es ihnen weniger gut, die Kanzlei an Benchmarks zu orientieren und Produktivitätsentwicklungen oberhalb des absolut minimal Notwendigen umzusetzen. daher gehen hier die Gewinne nicht wirklich hoch, sondern sind nur mit erhöhtem Leverage, oder weniger Partneraufnahmen zu organisieren. Bei vielen dieser Kanzleien bedarf es an einer Diskussion über sinnvolle Führungsstrukturen, Spielregeln bei der Einhaltung von Standards und notwendigem Feedback, die die Kultur langsam weiterentwickeln. Denn junge Leute erwarten einfach, dass die Kanzleien ordentlich funktionieren, und auch für Partner sind die langwierigen Partnerversammlungen ohne wirkliche Entwicklungen, Beschlüsse und Umsetzungserfolge frustrierend. So verlieren sie immer wieder außergewöhnliche Talente, die dann in die angelsächsischen oder den performanteren deutschen Kanzleien wechseln, wie die Anzeigen von Kanzleiwechseln nachweisen.
Quellen/Legende
1. Vaagt, Erfolgsstrategien für Wirtschaftskanzleien, 2011; Zahlen von Juve; vor Aufnahme in Top 50 resp. Top 100 (ab 2017), daher zT. fangen Zahlen bei null an, daher der Anstieg von Null auf den Anfangswert; Berechnung der Produktivität durch uns, da Juve erst ab dem Jahr 2013 damit anfing; Inflationsrate Deutschland: Tabelle von 1992 bis 2024 https://www.smart-rechner.de/inflation/ratgeber/inflationsraten_deutschland.php
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