Erfolgreiches Kanzleimanagementvon Christoph H. Vaagt, München
Wirtschaftskanzleien sind Unternehmen, die im Wettbewerb um Mandanten und Juristen stehen. Ein gutes Kanzleimanagement ist zunehmend ein Indiz für den Erfolg einer Kanzlei, denn in wettbewerbsintensiven Märkten ist die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und die Organisation weiter zu entwickeln, zunehmend wichtig. Darin sind Partnerschaften als auf Konsens ausgerichtete Organisationen häufig zu langsam. Was zu tun ist, beleuchtet dieser Artikel.
Was ist Kanzleimanagement?
Doch was ist gutes Kanzleimanagement? „Management“ als Prozess kann sich somit sowohl als unstrukturierte Aufgabenwahrnehmung darstellen, als auch durch Komitees und durch gesonderte Organe wahrgenommen werden. In jedem Falle ist die Selbstorganisationsfähigkeit und das Management einer Kanzlei daraufhin zu überprüfen, ob sie die Wünsche der an ihr Beteiligten (Stakeholder) ausreichend berücksichtigt. Management als “Strukturelement” dagegen ist das Vorhandensein (oder nicht) von Organen, die mit der Aufgabe betraut sind, die Kanzlei zu managen. Wir betrachten Management primär als mehr oder weniger strukturierten Organisationsprozess, also stellen die Frage, ob und wie es zu relevanten Entscheidungen kommt.
Kriterien für ein erfolgbringendes Kanzleimanagement
Die Kriterien für ein erfolgreiches Kanzleimanagement sind daher je nach der Perspektive des einzelnen Beteiligten zu definieren:
ist der wirtschaftliche Erfolg, gemessen an einer Steigerung des persönlichen Einkommens, sowie die persönliche Arbeitszufriedenheit, jeweils ein wichtiger Parameter.
sind es Arbeitsplatzsicherheit, Gehaltszuwächse und eventuell Aufstiegschancen.
sind es auch Themen wie Lernchancen, Reputation, Örtlichkeit (Nähe zum oder Attraktivität vom Wohnort) und Räumlichkeiten.
ist zentral, ob eine Kanzlei in der Lage ist, ihm für seine rechtlichen Angelegenheiten einen angemessenen Rechtsrat zur Verfügung zu stellen (angemessen hins. Bearbeitungsdauer, Qualität, Preis, etc.); dabei geht es in der Regel nicht nur um die gesamte Kanzlei, sondern um einzelne Anwälte bzw. deren Teams oder Praxisgruppen. Aber die Kanzleiorganisation ist für ihn mittelbar erfahrbar, vor allem am Auftritt, Empfang, Kommunikationsstil und Vorhalten wich.tiger Prozesse wie Stellvertretung, Breite und Tiefe des Angebots, etc.
ist es die Fähigkeit einer Kanzlei, im Wettbewerb zu bestehen maßgeblich, also die Veränderungen im Marktumfeld zu verstehen und geeignete Antworten zu geben. Das Kanzleimanagement muss also selber auch diese Fragen im Blickbehalten und laufend verbessern. Diese Fähigkeit bildet sich dann in Kennzahlen wie Umsatz pro Berufsträger, Gewinn pro Partner, Personalwachstum, Verbesserung der Mandatsbasis, Qualität des Rechtsrates etc. ab.
Sind rein betriebswirtschaftliche Antworten für das Kanzleimanagement ausreichend?
Die auf Kapitalgesellschaften und deren Managementprozesse ausgerichtete Betriebswirtschaft hält derzeit auf die Frage nach dem „richtigen“ Management in Partnerschaften nur Teilantworten bereit. Sie verfügt noch nicht über ausreichendes Wissen des Kanzleimanagements; daher sind die meisten der Definitionen und Konzepte für Kanzleimanagement, mit denen die Betriebswirtschaft operiert, immer kritisch zu prüfen, ob sie von Relevanz für Kanzleien sind (wie bei allen der sog. Professional Service Firms, zu denen Rechtsanwaltskanzleien in der Terminologie der Wirtschaftswissenschaftler gezählt werden).
Die Übernahme einfacher Managementlehren verbietet sich schon allein aufgrund der Tatsache, dass Kanzleien keine ausschließlich auf Wirtschaftlichkeit fokussierten Unternehmen sind. Zudem lässt die interne Organisation als partnerschaftlich verfasste Gesellschaft ein Top-Down-Management durch einen zentralen Eigentümer oder dessen Vertreter, also dem Management, nur eingeschränkt zu, im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften (nur die wenigsten Partnerschaften sind als Kapitalgesellscahften organisiert, auch wenn im Steuerrecht eine Angleichung zunehmend forciert wird).
Aus Sicht des Praktikers sind folgende Elemente für ein erfolgreiches Kanzleimanagement relevant: Verwaltung, Führung, Strategie und Ziele, sowie Strukturen und Prozesse.
Die Verwaltung einer Kanzlei
Kanzleimanagement umfasst die ordentliche unternehmerische Verwaltung der Kanzlei. Dies ist eine notwendige Funktion; je größer, umso ausdifferenzierter sollte die Kanzleiverwaltung sein, bis hin zur Delegation auf fachlich versierte Mitarbeiter im Bereich Personal, Finanzen, Marketing etc. .
Das bedeutet eine qualifizierte Personalverwaltung und -Entwicklung, ein geordnetes Finanzmanagement (insb. Jahresbudget samt Investitionsplanung, Liquiditätsmanagement, also insb. Entnahmepolitik und Buchhaltung), die Verwaltung der IT-Ausstattung (Hard- und Softwareeinsatz mit hoher Verfügbarkeit) und die Risikoverwaltung (insb. Sicherung der Vertraulichkeit von mandantenbezogenen Informationen, Fristenkontrolle, Kollisionen, Verhinderung von Geldwäsche, Ablaufstandardisierung etc.). Schließlich ist Marketing ein weiterer Bereich, der einer eigenen Verwaltungsanstrengung in Absprache mit dem Kanzleimanagement bedarf. In der Regel sind Anwälte nur bedingt geeignet, diese Themen qualifiziert zu bedienen, vor allem die damit verbundenen Routineprozesse aufrechtzuerhalten, da Mandatsarbeit für sie immer Vorrang hat. Sie sind allerdings wichtige Wissensträger für diese Prozesse, da sie immer auch betroffen sind und die branchenspezifischen Fragen gut kennen.
Bei der Kanzleiverwaltung besteht ausserdem die größte Herausforderung darin, Festlegungen zu treffen, an die sich alle, insb. die Partner zu halten haben. Dazu ist es gut, eindeutige Verantwortlichkeiten unter den Partnern zu regeln. Partner haben die Tendenz, entweder aus sachlicher Sicht andere (meist gleich gute, selten wirklich bessere) Lösungen vorzuschlagen, oder solche Lösungen zu bevorzugen, die ihnen persönlich einen Vorteil verschaffen. Gutes Kanzleimanagement besteht hier also in der Vereinbarung von Verbindlichkeit der Entscheidungen, im Setzen von Standards und die Aufrechterhaltung des Kanzleimanagements, manchmal auch gegen den Widerstand einzelner Partner.
Die Führung der Kanzlei für ein optimales Kanzleimanagement
Ein ordentliches Kanzleimanagement meint die Fähigkeit der Gesamtkanzlei, marktvalide Entscheidungen nach Innen und Außen zu treffen. Unsere Definition von Kanzleimanagement in Sinne von Führung ist eher eine soziologische: Führung ist eine in jeder Organisation in irgendeiner Form ausdifferenzierte Funktion, die in besonderer Weise Aufmerksamkeit auf sich bündelt. Führung verleiht ihren Themen Prominenz, um in einem Pendeln zwischen dem Nein und dem Ja der Organisation Entscheidungen mit allgemeiner Verbindlichkeit zu versorgen.
Kanzleimanagement in diesem Sinne ist eine Leistung im Dienste der Funktionstüchtigkeit, d.h. der Überlebensfähigkeit des jeweiligen sozialen Ganzen – gemessen an den Herausforderungen des eigenen Umfeldes und des gewählten Existenzgrundes (wofür sind wir da und werden wir dem auch gerecht?)
Im Bereich der Unternehmensführung sind es vor allem wichtige Entscheidungen über die Rahmen und Grenzen der Mandatsannahmen sowie die Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern. Auch hier prallen oft die Wünsche des einzelnen Partners mit dem Bedarf der Gesamtorganisation nach für alle geltenden Standards häufig aufeinander. Ein gutes Kanzleimanagement schafft es, mit diesen unterschiedlichen Wünschen angemessen umzugehen.
Da hier der Kernbereich der unternehmerischen Tätigkeit der Anwälte berührt werden kann, kommt es hier darauf an, gemeinsam Grenzen zu definieren, und im Einzelnen auszuhandeln, welche Abweichungen von den Standards gerade noch zulässig ist, und was nicht mehr zulässig im Sinne des Ganzen sein darf. In kleineren Kanzleien ist die Zivilcourage der Partner gefragt; in größeren Kanzleien kann die Delegation auf Organe diese Prozesse vereinfachen, weil es dann einen „Ansprechpartner“ für diese Fragen gibt. In jedem Fall ist die Annahme von Mandaten so wichtig, dass Großkanzleien hier eigene Kommittees gebildet haben, um zu entscheiden, ob ein Mandant zur Kanzlei passt, und ob ein Mandat angenommen werden kann. In sehr kleinen Kanzleien entscheidet das manchesmal die Sekretärin (nach gusto).
Je kleiner die Partnerschaft ist, umso einfacher ist es aber, den oder die Zuständigen dadurch zu umgehen, dass die Fragen doch allen Partnern vorgelegt werden. Dabei ist das Kanzleimanagement typischerweise dezentral bei den Partnern angesiedelt, die die für ihren Bereich relevanten Entscheidungen vorbereiten oder sogar allein zu fällen haben. Dies betrifft unter anderem die Führung des zugeordneten Personals, also die laufende Kommunikation mit den Betroffenen mit dem Ziel, einheitliche Arbeitsergebnisse und gemeinsam Erfolge in der Mandatsarbeit zu erreichen. Die Kanzleikultur entscheidet dabei darüber, ob diese Führungsarbeit, also das Kanzleimanagement, in einem gemeinsamen Geist ausgeübt wird und somit auch ähnliche Ergebnisse nach Innen und Außen produziert.
Kanzleistrategie und Ziele eines anspruchvollen Kanzleimanagements
Ziele und angemessene Strategien meint die Fähigkeit der Partnerschaft, sich über den Markt, in der die Kanzlei agiert, die Wettbewerbsbedingungen und mögliche Entwicklungsszenarien klar zu werden, und Entscheidungen zu fällen, die für einen längeren Zeitraum Gültigkeit haben sollen – zumindest so lange, bis neue Informationen verfügbar sind, die einen Richtungswechsel angezeigt erscheinen lassen. Hierzu sollten vom Kanzleimanagement Routinen eingeführt werden, etwa regelmäßige Besprechungen zwischen den Partnern oder mit den Kanzleimanagementverantwortlichen zu bestimmten Themen.
In diesem Bereich gehen die Wünsche und Sichtweisen der Partner am meisten auseinander, geprägt durch das jeweilige Geschäftsfeld, welches sie bearbeiten. Je weniger die Kanzlei traditionell eine Fokussierung auf bestimmte Geschäftsfelder hat, umso schwerer ist der Ausgleich der divergierenden Interessen für das Kanzleimanagement. Und was Kanzleien wesentlich mehr strategisch prägt als große Strategiepapiere sind Strukturen und Prozesse, also die Bereiche, die wir unten beschreiben.
Strukturen und Prozesse in Kanzleien (resp. Professional Service Firms)
Die relevanten Strukturen des Kanzleimanagements sind zuerst einmal die Tatsache, dass Partnerschaft eine andere Art von Archetyp als zBsp. NGOs, Corporate oder Familienunternehmen sind. Zugleich haben Sie von allen etwas. unter anderem ie Art und Weise, wie sie Entscheidungen fällen. Insbesondere solche Entscheidungen, die den Rahmen der Tätigkeit der Partner täglich bestimmen. Diese sind über längere Zeit betrachtet wesentlich wichtiger für das Kanzleimanagement und der Kanzleistrategie als viele Einzelentscheidungen:
Dazu gehören alle Entscheidungen über grundlegende Fragen wie die Gewinnverteilung, die Entscheidungsorganisation, Reporting etc.; diese Themen sind grundsätzlicher Natur. Ebenso wichtig ist die Diskussion über die richtige Struktur der Praxisgruppen, Industriegruppen etc. Denn diese bedeuten die Einbeziehung der Anwälte zu organisieren und die Wissensbasis zu beeinflussen.
Die mt dem Kanzleimanagement betrauten Organe, oftmals alle Partner, sind hierfür zuständig. Änderungen führen nicht selten auch zu einer Veränderung in der Zusammensetzung der Partnerschaft, weil es nicht immer allen passt, sich einzufinden und entsprechend zusammen zu arbeiten.
Die Mandatsbasis ist typischerweise das Ergebnis einer jahrelangen Marktbearbeitung: sie ist nur langsam zu verändern (siehe: Kanzleistrategie): Die Veränderung in diesem Bereich ist zwar einer der Bereiche, in dem wirtschaftliche Verbesserungen umgesetzt werden können, setzt aber zugleich einen nachhaltigen Prozesses der Marktbearbeitung voraus. Da die Mandatsannahme immer dezentral bei den Partnern angesiedelt ist, kommt es entscheidend darauf an, dass gemeinsame Leitlinien, die durch das Kanzleimanagement erarbeitet wurden, von allen Partnern akzeptiert und mitgetragen wird. Dieses sollte auch regelmäßig vom Kanzleimanagement überprüft werden (etwa hins. Höhe der durchzusetzenden h-Sätze, Art von Mandanten und Mandate, etc.)
Die Zusammensetzung der Partnerschaft ist oftmals nur schwer beeinflußbar. In Organisationen wie Partnerschaften spielen die persönlichen Beziehungen der Beteiligten eine entscheidende Rolle. Sie unterscheiden sich damit von kapitalbasierten Unternehmungen, in denen jeder Mitarbeiter nur eine Stelle ausfüllt und daher ersetzbar ist. Die Zusammensetzung der Partnerschaft dauernd in Frage zu stellen schwächt eine Partnerschaft allerdings mehr, als die Hinnahme möglicher unterschiedlicher Leistungen der Partner. Die Fähigkeit einer Partnerschaft, sich intern auf gemeinsame Standards zu einigen, ist von ihrer Streitkultur abhängig: je offener über diese Fragen gesprochen werden kann, umso wahrscheinlicher ist eine Verbesserung; am Ende muss aber auch ein Konsens stehen können, der nicht die zu niedrigeren Massstäbe oder gar Beliebigkeit als Standard setzt.
Kanzleien sind Dienstleistungsunternehmen. Folglich sind die internen Prozesse der Führung, Wertschöpfung und Unterstützung wichtig für eine gleichbleibend hohe Qualität der Ergebnisse. Doch sind in vielen Kanzleien die Prozesse nicht standardisiert. im Bereich der Wertschöpfung wird jedem Partner mehr oder weniger überlassen, seine eigenen Standards zu definieren. Manchmal scheitert sogar die Einführung gemeinsamer Corporate Identity an den Vorstellungen einzelner Partner. Spätestens bei der Gliederung eines Schriftsatzes glaubt jeder Partner, sein Stil sei der einzig Richtige, obwohl er oft nur der einzig Erlernte ist. Aber auch im Bereich der unterstützenden Abläufe, etwa bei Fristenkontrolle, gibt es die Erfahrung, dass die zentrale Fristenkontrolle erheblich die Wiedereinsetzungsnotwendigkeit reduziert als eine dezentrale. Dieses Wissen um Best Practises im Kanzleimanagement ist nicht normiert, sondern kann als Wissen von Kanzlei zu Kanzlei getragen werden.
Im Bereich der Führung sind standardisierte Prozesse der Marktbearbeitung, Personalführung und -rekrutierung etwa genauso wichtig wie die Beobachtung von Kennzahlen und deren Nutzung zur wirtschaftlichen Optimierung. Man findet derlei allerdings nur in großen, meist UK und US dominierten Kanzleien, und einigen großen deutschen Einheiten. Das Kanzleimanagement macht hier den Unterschied in der Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Standardisierte Prozesse sind daher zentral für die Wettbewerbsfähigkeit einer Kanzlei, welches nur durch bewußte Entscheidung für ein effizientes Kanzleimanagement funktioniert.
Ambivalenzen des Anwaltes als Unternehmer
Alle Anwälte in Kanzleien, vor allem in wirtschaftsberatenden Kanzleien, handeln immer unter der Notwendigkeit, Ambivalenzen auszutarieren:
– Organ der Rechtspflege versus Unternehmer
– Individuelle Ziele versus Ziele der Gemeinschaft
– Mandantenanforderungen und eigene Vorlieben
– Mandantenanforderungen und Anforderungen des Geschäftsmodelles einer Kanzlei an ihre Mandanten
Der Umgang mit diesen Ambivalenzen entscheidet über Erfolg und Misserfolg.
Nachhaltig erfolgreiche Tätigkeit im Markt
Wenn wir den Markt beobachten und uns fragen, warum einige Partnerschaften erfolgreicher sind als andere, dann wird deutlich, dass ist es nicht nur wichtig, wie das Kanzleimanagement funktioniert (in den meisten funktioniert es nur zum Teil). Es spielt weniger eine entscheidende Rolle, ob die eine Kanzlei und das Kanzleimanagement international aufgestellt ist oder nur national. Von zentraler Bedeutung ist vielmehr, ob die Partner einen Wertekonsens haben und pflegen, also ob die Kultur der Zusammenarbeit hilfreich ist, um am Markt gemeinsam Erfolg zu haben.
Die Kultur einer Kanzlei ist das, was die Partner (und auch ein eingesetztes Kanzleimanagementorgan) selber meist weniger sehen können, als es ein außenstehender Beobachter kann; meist sind gewachsene Partnerschaften sehr homogen in den Ansichten zu ihrer “Kultur”, die meist negativ konnotiert wird, wenn es schlecht läuft, und positiv, wenn es gut läuft. Dieser sehr große Hebel für das Kanzleimanagement kann nur bedient werden, wenn der Partnerschaft ein Spiegel vorgehalten wird. Das gelingt uns als Berater regelmäßig, und verlangt dann die nachhaltige Weiterarbeit daran der Kanzleiführung.
Alle Anwälte in Kanzleien, vor allem in wirtschaftsberatenden Kanzleien, handeln immer unter der Notwendigkeit, Ambivalenzen auszutarieren:
– die Partner einen gemeinsamen Wertekonsens haben und pflegen ( meist sind gewachsene Partnerschaften sehr homogen in den Ansichten)
– die Partner ein gemeinsames Grundverständnis hinsichtlich der qualitativen Anforderungen aneinander haben
– die Partner und das jeweilige Kanzleimanagement gut miteinander zusammenarbeiten, dass also die Erwartungen aneinander klar sind, dass der Führung vertraut wird und die Delegation nicht nur von Aufgaben, sondern auch von Kompetenz stattfindet
– die Partner eine gewisse Lässigkeit im Umgang mit schwierigen Fragen haben, und nicht alles zu einer „Alles oder Nichts Frage“ stilisieren und mit Austrittsdrohungen junktimieren
– die Partner und das jeweilige Kanzleimanagement ähnliche wirtschaftliche Ansprüche haben, und mit dem Einkommen zurecht kommen, welches sie erwirtschaften
– sich alle Partner bei wichtigen Fragen ausreichend Zeit nehmen, diese zu diskutieren, und versuchen, einen Konsens zu erlangen und dann das Kanzleimanagement mit der Umsetzung betrauen.
Wenig erfolgreicher (auch: wirtschaftlich) sind Kanzleien, in denen diese Voraussetzungen des Kanzleimanagements nicht gegeben sind. Denn dann ist die Entscheidungsfindung gehemmt, und die Kräfte wirken in zu viele unterschiedliche Richtungen. Zunehmend wichtig aus Sicht des Kanzleimanagements ist das wirtschaftliche Ergebnis für die Investitionsfähigkeit (IT-Ausstattung, Weiterbildung, Räume, etc) und des Gehalts- (resp. Gewinn-)niveaus relevant ist.
Unterschiedliche Herausforderungen für das Kanzleimanagement je nach Marktsegment
Jede Kanzlei hat in ihrem Markt andere Herausforderungen zu bestehen, daher können die Antworten, was „richtiges“ Kanzleimanagement ist, auch immer nur spezifisch gegeben werden. Eine Möglichkeit der „Standardisierung“ der Antworten liegt darin, die Kanzlei und somit das Kanzleimanagement in ihrem unmittelbaren Wettbewerbsumfeld zu sehen, sie gleichsam zu typisieren. Wir unterscheiden dabei aufgrund der Marktanalysen, die wir in unseren Publikationen (zuletzt: Der Kanzleimarkt in Deutschland, 2016) für verschiedene Kanzleien in unterschiedliche Märkten gemacht haben, grob in folgende Marktsegmente in Deutschland:
Dieses Segment, welches fast zur Hälfte aus UK und US Kanzleien, wird in der Branchenzeitschrift Juve regelmäßig betrachtet. In ihnen sind ca. 12.000 Wirtschaftsanwälte mit hohem Spezialisierungsgrad tätig und dort werden die höchsten Gehälter gezahlt. Diese Gehaltsniveau differenziert sie in erster Linie vom Rest des Marktes. Das Kanzleimanagement ist, wenn es angelsächsisch ist, aufgrund der Tradition mit Führung dort meist klar gegliedert und mit allem ausgestattet, was es zur Führung großer Kanzleien, die zT. weltweit über eine Mrd. € Umsatz machen, braucht. In Kanzleien mit primär deutscher Partnerschaft ist die Führung meist weit weniger gut organisiert, strukturiert und fähig, mit den Herausforderungen umzugehen. Hier unterstützten wir mit dem Coachings des Managementboards oder des Managing Partners.
Die Kanzleien, die den deutschen Mittelstand beraten, sind mittelgroße, meist regional tätige Kanzleien, die mit 10 bis 40 Anwälten im Wirtschaftsrecht tätig sind. Hier unterscheiden wir zwischen Großstadtkanzleien, die meist in einem Spezialgebiet tätig sind, und jenen in Mittelzentren dominanten Kanzleien, die die mittelständischen Unternehmensgruppen, oft einschließlich der Eigentümerfamilien, langfristig betreuen. Diese Kanzleien haben meist nur ein Büro, in denen alle Anwälte sowie das weniger stark ausdifferenzierte Kanzleimanagement arbeiten. Hier geht es vor allem darum, die Partner zu einem gemeinsamen Verständis zu bringen, was das Kanzleimanagement leisten kann und soll, und was demnach die eigene Rolle eines Partners einer solchen Kanzlei ist.
Im von uns sogenannten KMU (Kleine und Mittlere Unternehmen)-Segment sind Kanzleien zwischen 2 und 10 Anwälten tätig, die für kleinere Unternehmen und anspruchsvollere Privatmandanten arbeiten.
Sie arbeiten mit einem praktisch orientierten, generalistischen Ansatz, der schnell Probleme lösen soll. Die Gerichtstätigkeit stellt aber fotmals noch einen großen Anteil ihrer Arbeit dar, da sie eher traditionell arbeiten.
Dieses Segment der Kleinkanzleien und Einzelbüros, die meist generalistisch Privatmandanten in ihren Fragen betreuen, von Verkehrsrecht über Arbeitsrecht bis zum Familien- und Erbrecht, sinbd zunehmend seltener im Markt. Sie machen nur einen kleinen Anteil der Anwälte aus (ca. 12.000) , da sehr viele der als Einzelanwälte umsatzsteuerlich erfassten Anwälte de facto als Scheinselbständige in großeren Einheiten tätig sind, oder nur unterstützend in Kanzleien arbeiten, in denen ihre Fähigkeiten einsetzbar sind.
Das Kanzleimanagement ist hier relativ einfach, da eine wenig komplexe Struktur vorhanden ist: und dennoch ist die Beobachtung der Kanzlei im Markt sehr wichtig, weil hier ofrtmals viel zu wenig verdient wird.
Die Kanzleien des ersten und zweiten Segmentes sind in diesem Buch vertreten.
a) Herausforderungen für das Management der Großkanzleien
Die Kanzleien des ersten Segmentes reichen von weltweit tätigen, zentral geführten Kanzleien mit 300 Anwälten bis hinunter zu eher regional vertretenen Kanzleien mit 50 Anwälten. Entsprechend unterschiedlich ist ihre Binnenorganisation und ihr Kanzleimanagement; ein einheitlicher Nenner für Fragen des Kanzleimanagements lässt sich über einige generelle Anmerkungen nicht machen.
b) Herausforderungen des Managements für Mittelstandskanzleien
Die meisten wirtschaftsberatenden Kanzleien des 2. Segmentes, auf die ich hier im Weiteren abstellen will, haben zwischen 5 und 15 Partner. Ihre interne Organisation ist meist auf den einzelnen Partner ausgerichtet: er oder sie hat einen Mandantenstamm, der bedient wird. Die interne Kooperation gelingt meist recht gut, so dass Mandanten umfassend bedient vom Kanzleimanagement werden können.
Notwendige Kennzahlen für ein zielgerichtetes Kanzleimanagement
Das Kanzleimanagement sollte über eine umfassende betriebswirtschaftliche Sicht der Kanzlei verfügen. Da die Kennzahlen, die die meisten Kanzleisoftwareprogramme auswerfen, nicht ausreichend sind, muss sich das Kanzleimanagement einen besseren Überblick verschaffen. Die Profitabilität der einzelnen Mandate gibt wichtige Hinweise auf Veränderungsbedarf bei Mandatsannahme und Honorarverhandlungen. Dieses ist deshalb von Bedeutung, weil die kritische Prüfung der wirtschaftlichen Fragen für diesen Kanzleityp viel wichtiger geworden ist. Hierauf müssen die Partner und das Kanzleimanagement besonderes Augenmerk legen.
Es geht dem Kanzleimanagement nicht immer darum, um jeden Preis mit jedem Mandat Profit zu erzielen. Aber es kann auch nicht Ziel einer Kanzlei sein, den eigenen Rechtsrat unterhalb den „Produktionskosten“ zu geben (dieser ist als Mindest-Stundensatz dadurch zu ermitteln, dass die Kosten des Unternehmens zuzüglich der angemessenen Gewinnerwartung durch die Anzahl der verfügbaren und verkaufbaren Stunden aller Berufsträger zu dividieren ist). Aber auch das finden wir nicht selten, zumindest in Teilbereichen einer Kanzlei.
Auch die Auslastung der Berufsträger ist wichtig: und zwar nicht mit irgendwelchen Mandaten, sondern mit solchen, die zur Kanzleiausrichtung und Anforderung an die Wirtschaftlichkeit passt. Die Beobachtung gerade von angestellten Berufsträgern zeigt, dass diese häufig nur gerade einmal ihre Gehaltskosten hereinbringen, manchmachmal auch noch Gemeinkosten oder Teile davon. Aber sie sind häufig nur in gut betriebswirtschaftlich geführten Kanzleien wirklich profitbel.
Häufig ist es gar nicht einfach für das Kanzleimanagement, die richtigen Kennzahlen zur Verfügung zu haben. Die meisten Kanzleimanagementsoftware ist nicht darauf eingerichtet. Und in so manchen Kanzleien wird auch keine konsequente Zeitmitschrift genutzt, um sich zu orientieren. Doch ohne diese kann Kanzleimanagement nicht auskommen.
Führung unterschiedlicher großer Kanzleien: eine besondere Herausforderungen für das Kanzleimanagement
Die Schwierigkeiten der Führung hängen oftmals mit der Gruppengröße zu tun. Eine Gruppe von 10 Partnern kann nicht von einem zentralen Management „geführt“ werden; aber jeder Partner kann etwas dafür tun, dass die Partnerschaft sich mit wichtigen Themen auseinander setzt. Und jeder Partner kann in seinem Bereich (also in dem Kanzleimanagementbereich, für den er oder sie zuständig ist, oder Personal) einen Beitrag leisten, vor allem durch das eigene Vorbild, Diskussionen mit den Betroffenen, und das Ingangsetzen von Prozessen, die durch das Kanzleimanagement zu Veränderungen führen.
Dabei sind einige Partner mehr an den unternehmerischen Fragen interessiert, andere mehr auf die internen Prozesse des Kanzleimanagements oder die Mandatsarbeit fokussiert. In einem funktionierenden Kanzleimanagement können diese unterschiedlichen Stärken der Einzelnen eingebracht und einander ergänzend funktionieren. Daher ist es eine wichtige „Management“-Aufgabe, die Beiträge der Einzelnen miteinander abzustimmen und zu verzahnen.
Bei größeren Partnerschaften, ab ca 20 Partner, ist hingegen ein Managementboard, oder ein Managing Partner, notwendig, um die unterschiedlichen Themen zentral zu beaufsichtigen und die Kanzleientwicklung voranzutreiben.
Besondere Herausforderungen gibt es, sobald eine Kanzlei mehrer Standorte hat: denn diese entwickeln ein Eigenleben, und die Koordination und Zusammenarbeit bindet unverhältnis viel Resourcen. Sie ist daher (und auch betriebwirtschaftlich sowie strategisch) nur in seltenen Fällen wirklich sinnvoll.
Herausforderungen für das Kanzleimanagement hinsichtlich der Kanzleistrategie
Das Ziel des Managements einer Anwaltskanzlei ist es, den Mandaten hochwertigen Rechtsrat zur Verfügung zu stellen und dafür ein angemessenes Honorar zu erhalten. Im Zweifel muss der Anwalt die berufsrechtlich einwandfreie Lösung wählen, auch wenn es zum eigenen wirtschaftlichen Nachteil ist. „Strategie“ verlangt hier also die Diskussion unter den Partnern und dem Kanzleimanagement, wie diese Ziele erreicht werden können und welchen Weg die Partner beschreiten wollen, um beides zu sichern.
Diese Diskussion über die Angebotsbreite, die Entwicklung der Mandantschaft und der Qualität sollte in periodischen Abständen durch das Kanzleimanagement angeregt und aufgenommen werden (etwa alle 1-3 Jahre).
Wichtigkeit des Kanzleimanagements
Eine Führungsorganisation, etwa durch die Einsetzung eines Kanzleimanagement Partners, gehört zwar in großen Sozietäten zum Standard. Allerdings ist durch das Kanzleimanagement nicht automatisch eine größere Handlungsfähigkeit nach innen (wohl allerdings nach außen) verbunden: denn das Kanzleimanagement leitet seine Befugnis vom „Wahlvolk“ der Partner ab, und je nach Wahlperiode (meist zwischen 1 und 3 Jahren) sind sie darauf erpicht, konsensorientiert vorzugehen.
Das Kanzleimanagement pendelt zwischen der Einsicht, wie „alles besser ginge, wenn man sie nur ließe“, und der Notwendigkeit, Konsens herzustellen. Das Kanzleimanagement ist damit im Wesentlichen ein politisches Organ, und keine Sachentscheider, zu denen sie die Managementlehre gerne stilisiert.
Entscheidungsmanagement in Kanzleien - Unser Kanzleimanagement
Die Entscheidungsstrukturen in wirtschaftsberatenden Kanzleien haben wir schon angesprochen: Meist entscheidet das Kollektiv der Partner, manchmal sind es Komitees, und nur bei großen Einheiten gibt es formal bestimmte Organe mit klar abgegrenzten Zuständigkeitsbereichen. Die Gruppe der Partner funktioniert aber immer nach gruppendynamischen Prinzipien: im Grunde wird immer alles miteinander ausgehandelt.
Diese „Ganzheitlichkeit“ der Entscheidungsprozesse, die neben wirtschaftlichen eben auch Fragen des persönlichen Wohlbefindens, aber auch der Berufsethik zulassen, ist die Stärke und zugleich die Schwäche der Sozietäten: Denn Gruppen entscheiden langsam, und es wird meist nur ein Thema nacheinander bearbeitet (in welchem sich dann allerdings auch immer alle anderen Fragen widerspiegeln). Hier gilt es, durch ein sauberes Projektmanagement des Kanzleimanagements die sachlichen Fragen abzuarbeiten, um zu vermeiden, dass immer alles mit allem vermengt wird.
Zusätzliche Informationen
Autor:
Christoph H. Vaagt
Kanzleiberater
Law Firm Change Consultants
Kistlerhofstr. 70/88
81379 München
chv@lawfirmchange.com
www.lawfirmchange.com
1Hierzu Kapital 4 im Marketing und Management-Handbuch für Rechtsanwälte, Hartung, Römermann, 1999 C.H. Beckverlag; für kleinere Kanzleien: Die erfolgreiche Kanzleiorganisation, Praktische Ratschläge für den Rechtsanwalt, Stefan Vogt, Peter Zimmermann, 2002; Bossle/Dudeck: Erfolgreiches Kanzleimanagement, Haufe Verlag Berlin 2001;
2Unsere Definition von Kanzleimanagement in Sinne von Führung ist eher eine soziologische:
- Führung ist eine in jeder Organisation in irgendeiner Form ausdifferenzierte Funktion, die in besonderer Weise Aufmerksamkeit auf sich bündelt.
- Führung verleiht ihren Themen Prominenz, um in einem Pendeln zwischen dem Nein und dem Ja der Organisation Entscheidungen mit allgemeiner Verbindlichkeit zu versorgen.
- Führung ist eine Leistung im Dienste der Funktionstüchtigkeit, d.h. der Überlebensfähigkeit des jeweiligen sozialen Ganzen – gemessen an den Herausforderungen des eigenen Umfeldes und des gewählten Existenzgrundes (wofür sind wir da und werden wir dem auch gerecht?)
Führung in Partnerschaften ist den Partnern als Kollektiv vorbehalten. Sie entscheiden sowohl über die Frage, was im Zweifel gilt, als auch wer ggf. Führungsaufgaben auf Zeit durchführen darf.
3Hierzu gibt es viel Literatur, allerdings meist umfangreich aufbereitet: nach wie vor führend sind m.E.: Kanzleiführung für rechts- und wirtschaftsberatende Berufe, Mauer / Krämer / Becker, Beck Verlag 2000; Marketing Strategien für Rechtsanwälte, Mauer / Krämer, Beckverlag 2000
4Unklar demgegenüber das gleichnamige Buch von Claudia Schieblon, Kanzleimanagement, Gabler-Verlag 2011, in dem verschiedene Themen unter diesem Begriff subsumiert werden.
5Lesenswert hierzu die Ausführungen von Harald Seisler, im og Buch von Schieblon, S. x ff.
6Siehe dazu die Studie, die vom gleichen Autor im Verlag Recht und Wirtschaft im Jahre 2011 mit dem Titel: „Erfolgreiche Kanzleistrategien“ erscheint
7Hierzu verweise ich auf meine og Studie
8Einen guten Einblick in das Seelenleben gibt Stefan Rizor, in dem Buch von Claudia Schieblon