- 16. September 2014
- Veröffentlicht durch: Christoph H. Vaagt
- Kategorie: Pressespiegel
Wirtschaftskanzleien stehen heute vor großen Herausforderungen. Einerseits wird der Wettbewerb um den vielversprechenden Nachwuchs immer härter, andererseits sind die Anforderungen an die Juristen im Wandel begriffen. Zudem müssen Wirtschaftskanzleien sich einer neuen Konkurrenz von Beratern und sogenannten Projektjuristen stellen. Der Wettbewerb ist enorm, da durch die Lockerung in der Zulassung zur Rechtsberatung verschiedenen Beratungsunternehmen, insbesondere auch Banken und Versicherungen, verstärkt rechtsberatend tätig sind. Spezialisierung ist die Zukunft. Das zeigen auch neue Wege in der juristischen Ausbildung. Heute fängt der Weg zum Wirtschaftsjuristen nicht erst nach dem Staatsexamen an. Immer mehr Universitäten bieten neben der juristischen Ausbildung Fachwissen in Wirtschaftswissenschaften an.
Drei Fragen an Christoph H. Vaagt, Berater für Wirtschaftskanzleien bei der in München ansässigen Law Firm Change Consultants
Stichwort Technologie: Können Sie die Konsequenzen des technischen Wandels für die Arbeit von Juristen und Wirtschaftskanzleien beschreiben?
Es gibt derzeit im Silicon Valley Investoren, die über 400 Millionen USD Dollar in über 600 Firmen stecken, die alle die Frage bearbeiten, wie im Bereich Recht und Rechtsberatung durch Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle die bestehenden Märkte aufgebrochen werden können. Erfolgreich ist dies bereits im Bereich „underserved market“, also dort, wo es um den einfachen Rechtsrat und Formulare oder Verträge für einfachere juristische Sachverhalte geht. In Deutschland gibt es etwa janolaw.de, die das bereits anbieten. Wirtschaftsanwälte werden davon ebenfalls betroffen sein. Alles, was standardisierbar ist, wird standardisiert werden. Also etwa Aussagen über Patentierbarkeit einer Innovation, Aussagen über Erfolgswahrscheinlichkeit eines Prozesses. Prozesse werden verbilligt, und zwar radikal, etwa im Bereich Streitbeilegung. So hat das niederländische Justizministerium alle Scheidungen, die nach Armenrecht vom Staat bezahlt werden müssen, durch ein obligatorisches elektronisches Mediationsverfahren extrem verbilligt. Die Software und das Verfahren eignet sich auch für komplexere größere Fallgestaltungen. Das sieht man zum Beispiel schon bei den Angeboten von juripax.com. Wir können davon ausgehen, dass Wirtschaftsanwälte ihren Fokus weg von der Sachbearbeitung und hin zu einerseits noch nicht standardisierten Fragen und Verfahren, und zum anderen auf das Projektmanagement sowie die Prozessgestaltung legen werden.
Stichwort “Projektjuristen”: Ist das ein Format, das in Zukunft den klassischen Wirtschaftskanzleien Konkurrenz macht? Wie weit ist der Markt in Deutschland schon gewachsen?
Für Projektjuristen öffnet sich ein weites Feld mit der Digitalisierung, da sie dafür besser ausgebildet sind als klassische Juristen. Derzeit werden sie in Unternehmen und Kanzleien zunehmend eingesetzt für Routine- Tätigkeiten oder das Projektmanagement, da sie zum einen billigere Arbeitskräfte sind, andererseits nicht in die Partnerschaft aufsteigen können (zumindest nach derzeitigem Stand). Sie übernehmen Aufgaben, die bisher Volljuristen machten, und sind daher keine Konkurrenten , sondern Substitute. Auch hier gilt: was billiger produziert werden kann, wird billiger produziert werden. Daher sind Wirtschaftsjuristen wahrscheinlich zumindestens vorübergehend die Rettung des partnerschaftlichen Geschäftsmodelles von Anwaltskanzleien, in denen immer weniger Partner mit immer mehr Mitarbeiter nach immer weiter ausdifferenzierten Rollen und Aufgaben die Mandate bearbeiten, die ihnen anvertraut wurden.
Was ist angehenden Wirtschaftsjuristen bezüglich ihrer Ausbildung zu raten? Welche Schritte sollten sie gehen?
Wirtschaftsjuristen sollten sich auf die digitale Revolution vorbereiten. Wenn ich heute jung wäre, würde ich nach Kalifornien gehen und mich mit den dortigen Innovationen bekannt machen. Die Bedienungskompetenz von Software, die eingesetzt wird, um besser, einfacher, schneller rechtliche Fragen zu bearbeiten, ist die Kernkompetenz des Wirtschaftsjuristen der Zukunft. Zudem müssen Studenten heute so schnell wie möglich anschlussfähig sein an die Anforderungen der Kanzlei- oder Unternehmenswelt. Einzelne Spezialisierungen wie Finanzen und Finanzierungsrecht, Gesellschaftsrecht und Steuerrecht aber auch Nischen wie zum Beispiel Schiffahrtsrecht erhöhen die Chancen auf Karriere und Erfolg. Zu dem kann in einer globalisierten Wirtschaft kein Jurist mehr tätig sein, der nicht sehr gutes Englisch kann: daher gilt auch für den Wirtschaftsjuristen, seine Ausbildung zumindest zum Teil im englischsprachigen Ausland erworben zu haben.
(Tanja von Unger)